Kommentar
Die Ablehnung des CS-Kredits im Nationalrat ist grösstenteils Polittheater. Dahinter steckt allerdings eine ernste Frage: Will und kann sich die Schweiz eine einheimische Grossbank und einen internationalen Finanzplatz leisten? Die Politik sollte aufpassen, dass sie das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet.
Peter A.Fischer
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4 min
Das Nein der meisten Nationalräte der Polparteien SP, Grüne und SVP zu den Garantien für die Credit Suisse (CS) und UBS war wohl grösstenteils Heuchelei. Die Parlamentarier wussten, dass ihre Ablehnung unmittelbar folgenlos bleibt, weil der Bundesrat die Garantien per Notrecht rechtsgültig gesprochen hat. Also konnten sie volksnah ihrem Zorn über verantwortungslose Banker freien Lauf lassen und mit Blick auf die nächsten Wahlen mehr Klimapolitik im Finanzwesen oder eine Abspaltung ausländischer Geschäfte fordern.
Das Problem ist nur: Würde die Schweiz tatsächlich die Forderungen der SVP oder der Linken übernehmen und im Alleingang umsetzen, könnte künftig wohl kaum noch eine Grossbank ihren Hauptsitz in der Schweiz haben beziehungsweise von hier aus ein integriertes internationales Geschäft lenken. Bereits jetzt dürften sich manche ausländische Anleger fragen, ob ihr Geld in der Schweiz tatsächlich so sicher ist, wie sie es lange Zeit angenommen hatten. Denn sollte die Politik keine so grosse Bank wie die UBS im Land mehr wollen, täten sie besser daran, ihr Geld rechtzeitig beispielsweise der Deutschen Bank oder gleich JP Morgan anzuvertrauen.
Die Parlamentarier in Bern sollten sich also bewusst sein, dass ihr Polittheater nicht ganz so billig ist, wie sie vielleicht annehmen. Es sendet Signale aus zur Frage, wie international oder provinziell der Schweizer Finanzplatz – der in den vergangenen Jahren bereits deutlich an globaler Bedeutung verloren hat – künftig sein will.
Berechtigter Unmut
Der weitverbreitete Unmut über die staatlich orchestrierte Übernahme der CS durch die UBS ist allerdings durchaus nachvollziehbar. Zum Wesen einer Marktwirtschaft gehört, dass Eigner eines Unternehmens den Schaden tragen müssen, wenn ihr Unternehmen schlecht wirtschaftet. Entsteht der Eindruck, dass bei gewissen Firmen Gewinne privatisiert und Verluste dem Steuerzahler übertragen werden, unterminiert das die Marktwirtschaft.
Als im März im Zeichen der amerikanischen Regionalbankenkrise ein massiver Vertrauensverlust und Bank-Run die CS gefährlich nahe an die Zahlungsunfähigkeit trieb, kam der Bundesrat wohl zu Recht zum Schluss, dass eine Übernahme durch die UBS grösseren Schaden eher vermeiden wird als die für solche Fälle eigentlich vorgesehene aufsichtsrechtliche Sanierung oder Abwicklung. Mit der gewählten Lösung verloren die Aktionäre und ein Teil der Anleihengläubiger den grössten Teil ihres Vermögens und das bisherige Top-Management den Wert ihrer in Aktien auszuzahlenden Boni. Gleichzeitig sicherte die Übernahme den nahtlosen Fortbestand der Geschäfte der CS und verhinderte damit womöglich eine internationale Bankenkrise. Der Bund selber sprach zwar notrechtlich milliardenschwere Garantien, doch die Hoffnung besteht, dass diese nicht zum Tragen kommen werden.
Neben dieser Rechnung gibt es aber die politischen Kosten, die sich jetzt zeigen. Die gewählte Rettungsübung stärkt die Agenda von Linken und Nationalisten. Es ist richtig, darüber nachzudenken, wieso das für solche Fälle vorbereitete Too-big-to-fail-Regime für zu riskant befunden wurde und was geändert werden muss, damit dem künftig möglichst nicht mehr so ist.
Tatsache bleibt aber auch, dass das Geschäft der Grossbanken global ist und regulatorische Verbesserungen international koordiniert angegangen werden müssen. Vorläufig ist es so, dass ein Ausfall einer international tätigen Bank sofort internationale Folgen hätte und eine Sanierung oder Abwicklung auf eine entsprechende Zusammenarbeit der zuständigen Behörden angewiesen ist. Wahrscheinlich geht das vorderhand nicht ganz ohne staatliche Unterstützung.
Ärmer und provinzieller ist nicht besser
Abzuwägen sind deshalb die Vor- und Nachteile, wenn es darum geht, Heimat grosser Banken und eines internationalen Finanzplatzes zu sein. Dabei zeigen sich Parallelen etwa zum Luftverkehr. Gäbe es keine grossen Schweizer Banken mehr, die Firmen und Privaten umfassendere Dienstleistungen bieten als nur Vermögensverwaltung, würden ausländische Institute zweifellos in der Schweiz ihre Finanzdienstleistungen anbieten, wenn auch vermutlich nicht immer in der gleichen Qualität. Aber die gutbezahlten, wertschöpfungsintensiven Tätigkeiten, welche die Spezialisten in der Zentrale ausüben, und die weltweite Vernetzung, die sich dabei ergibt, würden anderswo anfallen. Die Schweiz würde ärmer und provinzieller.
Der Schweizer Finanzplatz steuert gegenwärtig rund 9 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. In den USA sind es ebenfalls 9 Prozent, in Deutschland 4 und in Luxemburg 25 Prozent. Die neue UBS wird von der Grösse her mit der Deutschen Bank vergleichbar sein. Für den kleineren Schweizer Finanzhaushalt aber wird die UBS ein relativ grösseres Risiko und auch eine potenziell grössere Ertragsquelle darstellen, als es die Deutsche Bank für den deutschen Bundeshaushalt tut.
Politik und Behörden im Kleinstaat Schweiz haben deswegen ein immanentes Interesse, Risiken einzugrenzen. Sie sollten aus der nicht sehr gut vorbereitet wirkenden notrechtlichen Übernahme der CS durch die UBS lernen und sich international für Verbesserungen einsetzen.
Es ist aber eine Illusion, zu glauben, dass ein ganz auf die nächsten Wahlen ausgerichtetes Polittheater gratis ist. Die Gefahr, dass der Schweizer Finanzplatz ernsthaften Schaden nimmt, ist real – und die Verantwortlichen an konkurrierenden Finanzplätzen, von Frankfurt und Paris bis zu Singapur und Hongkong, reiben sich bereits die Hände.
75 Kommentare
T. S.
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Danke für das Polittheater, man kann es nicht anders benennen. Es war das Parlament, das die Too-Big-To-Fail Gesetzgebung so aufgeweicht hat, dass sie offensichtlich wirkungslos ist. Ob die Schweiz eine Bank wie die jetzige UBS verträgt, ist das eine, das andere sind die Zweifel, ob unser Parlament überhaupt in der Lage ist, eine vernünftige Gesetzgebung auf die Beine zu stellen. Vor den Wahlen sowieso nicht, nach den Wahlen müsste alle ihre ideologischen Scheuklappen ablegen. Das ist wohl zuviel verlangt. Als Wähler und Steuerzahler, der dieses Polittheater finanziert, fühle ich mich schon verschaukelt.
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H. S.
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Sehr guter Artikel! Es wird spannend zu sehen sein, was das Parlament dazu meint, wenn tausende von Arbeitsplätzen verloren gehen und der Finanzplatz Schweiz in die Bedeutungslosigkeit versinkt.
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